Winter

 

Fotos Brigitte Fuchs

 

 

Weg und Wiese zugedeckt,
Und der Himmel selbst verhangen,
Alle Berge sind versteckt,
Alle Weiten eingegangen.

Ist wie eine graue Nacht,
Die sich vor den Tag geschoben,
Die der Sonne glühe Pracht
Schleierdicht mit Dunst umwoben.

Oder seid ihr alle tot:
Sonne, Mond und lichte Sterne?
Ruht das wirkende Gebot,
Das euch trieb durch Näh und Ferne?

Leben, lebst du noch ringsum?
Sind verschüttet alle Wege?
Grau und eng die Welt und stumm.
Doch mein Herz schlägt seine Schläge.

 

Otto Julius Bierbaum (1865-1910) deutscher Journalist und Schriftsteller

 

 

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Der Hund im Schafspelz

Foto Brigitte Fuchs

 

 

Es holte sich der Bernhardiner
beim Kürschner einen Schafspelzrock.
Ich tarne mich als Wollschafbock,
so dachte er, der Erzschlawiner.

Erscheint der Wolf vom nahen Tann
und beisst sich fest in meinem Fell,
kommt es vermutlich zum Duell
und jeder kennt den Ausgang dann.

Und so geschah es auf der Weide.
Es kämpften tapfer Wolf und Hund.
Doch schliesslich waren beide wund.
Und schlauer waren sie auch beide…

 

Brigitte Fuchs

 

Foto Brigitte Fuchs

 

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Winterlied

Fotos Brigitte Fuchs: Barmelweid am 14. Januar 2024

 

Das Feld ist weiss, so blank und rein,
Vergoldet von der Sonne Schein,
Die blaue Luft ist stille;
Hell, wie Kristall
Blinkt überall
Der Fluren Silberhülle.

Der Lichtstrahl spaltet sich im Eis,
Er flimmert blau und rot und weiss,
Und wechselt seine Farbe.
Aus Schnee heraus
Ragt, nackt und kraus,
Des Dorngebüsches Garbe.

Von Reifenduft befiedert sind
Die Zweige rings, die sanfte Wind‘
Im Sonnenstrahl bewegen.
Dort stäubt vom Baum
Der Flocken Pflaum
Wie leichter Blütenregen.

(…)

 

Freiherr Johann Gaudenz von Salis-Seewis (1762-1834) Schweizer Dichter
Die ersten drei von sieben Strophen seines Gedichtes „Winterlied“

 

Fotos Brigitte Fuchs: Barmelweid

 

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Anagramm-Zweizeiler 590 und 591 plus Zwischenzeile

Fotos Brigitte Fuchs

 

 

STACHELIGER MORGEN:

RECHT ARMSELIG, EGON!

Denn:

GEORGE STACH MERLIN.

Aber:

LESERIN MACHTE GROG.

EGON REIMT SCHLAGER.

 

Brigitte Fuchs

 

 

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Winterbild

Foto Brigitte Fuchs

 

 

In meinem Zimmer ein paar frische Blumen,
Die allen Wintermissmut mir vertreiben.
Ein Vöglein pickt vor meinem Fenster Krumen
Und guckt dabei zutraulich durch die Scheiben.

In Stroh und Bast die Bäume eingeschlagen,
Damit der strenge Frost sie nicht berühre,
Die Beete wohl verwahrt vor kalten Tagen –
Und, blossen Haupts, ein Bettler vor der Türe.

 

Hedwig Lachmann (1865-1918) deutsche Schriftstellerin, Dichterin und Übersetzerin

 

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Begegnung

Fotos Brigitte Fuchs: Skulptur „Begegnung“ von Rolf Brem vor der Gemeindeverwaltung in Suhr/AG

 

 

(…)

Ich hatte dir so viel zu sagen,
Du Jugendfreundin, mir so lieb,
Ich hatte dich so viel zu fragen,
Die Zeit gebot, es unterblieb.
Vielleicht, dass wir uns wiederschauen
Auf wechselvoller Pilgerbahn,
Dann knüpfen Achtung und Vertrauen
Das Band der Freundschaft wieder an.

(…)

 

 

Ludwig Bechstein (1801-1860) deutscher Schriftsteller, Bibliothekar und Archivar
Die fünfte von sieben Strophen seines Gedichtes „Begegnung“
Aus der Sammlung „Vermischte Gedichte“

 

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Ins Gästebuch

Fotos Brigitte Fuchs

 

 

Wie schön dass es noch weisse

Landstriche gibt in unserer Vita ein

Zuckerschlecken ist das die Chance

im Bild zu sein über allen Gipfeln

die Fragen die Antworten unter sich

(die Faust im Sack eine Taube) & auf

dem Dach nichts als der Konjunktiv

 

 

 

Brigitte Fuchs
Aus „Handbuch des Fliegens“ Gedichte, edition 8, Zürich 2008

 

 

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Winterbildergeschichte

 

Auf verschneiten Hügeln trafen
wir ein Wiesenfeld mit Schafen.

Warm verpackt in Schafpelzwolle
stapften sie durch Schnee und Scholle.

 

 

Rings der Zaun, der sollte nützen
und mit Strom vorm Wolfsriss schützen.

Bisher wurden sie gemieden
und die Herde war zufrieden. –

 

 

Doch ein anderes schwarzes Tier
flog rasant ins Schafsrevier.

Setzte sich mit Wohlbehagen
auf ein Schaf und liess sich tragen.

 

 

Dieses hatte nichts dagegen,
vielleicht kams ihm gar gelegen.

Denn der Rabe auf dem Rücken
schien das Wollschaf zu beglücken.

 

 

Auch der Vogel fand es fein,
konnte hier der Feldherr sein.

 

Brigitte Fuchs

 

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Rotkehlchen

Fotos Brigitte Fuchs

 

 

Schwalben waren schon lang
Fort und auf der Reise,
Nur ein Rotkehlchen sang
Lieblich und leise
Unter dem Dach
Eines Hauses, das, halb zerstört,
Allmählich zusammenbrach.
Es wurde von niemand gehört,
Und dennoch sang es. Das Moos
Wuchs auf der Schwelle,
Die Steine bröckelten los,
Des Abendlichtes Helle
Schlief in den Zimmern allein,
Die Stürme gingen aus und ein
In dem grossen verödeten Gang,
Aber das Rotkehlchen sang.
Lust und Freude waren entflohn,
Alles war aus,
Es wusste nichts davon;
Es sang im öden, verfallenden Haus
Mit einem eignen lieblichen Ton.

 

Hermann von Lingg (1820-1905) deutscher Arzt, Lyriker und Epiker

 

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Sanfte Nebel

Foto Brigitte Fuchs: Klewenalp-Stockhütte und Seelisberg, vor einigen Jahren

 

 

Das Lied mit seinen Tönen kommt daher, zu schmelzen und zu vergnügen die Seele; es gleicht sanften Nebeln, die sich, dem See entsteigend, in schweigende Täler ergiessen.

 

 

James Macpherson (1736-1796) schottischer Politiker und Schriftsteller

 

 

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