Archiv der Kategorie: Gedichte

Barfuss

Foto Brigitte Fuchs

 

 

Kein Bedauern, Rufen und kein Klagen

 

Kein Bedauern, Rufen und kein Klagen,
Die weissen Blütenträume sind vorbei.
Welkend muss man goldne Blätter tragen.
Jung? Ich werde es nicht länger sein.

So wie früher wirst du nicht mehr pochen,
Herz, erfasst vom kalten, rauen Reif,
Und das Land, aus Birkenbast geflochten,
Lockt nicht mehr, es barfuss zu durchstreifen.

(…)

 

 

Sergei Alexandrowitsch Jessenin (1895-1925) russischer Lyriker
Die ersten zwei von fünf Strophen seines Gedichtes „Kein Bedauern, Rufen und kein Klagen“

 

Foto Brigitte Fuchs: Ausschnitt

 

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November

Fotos Brigitte Fuchs

 

 

Solchen Monat muss man loben:
Keiner kann wie dieser toben,
keiner so verdriesslich sein
und so ohne Sonnenschein!
Keiner so in Wolken maulen,
keiner so mit Sturmwind graulen!
Und wie nass er alles macht!
Ja, es ist ′ne wahre Pracht.

Seht das schöne Schlackerwetter!
Und die armen welken Blätter,
wie sie tanzen in dem Wind
und so ganz verloren sind!
Wie der Sturm sie jagt und zwirbelt
und sie durcheinander wirbelt
und sie hetzt ohn′ Unterlass:
Ja, das ist Novemberspass!

(…)

 

 

Heinrich Seidel (1842-1906) deutscher Ingenieur und Schriftsteller
Erste zwei von vier Strophen seines Gedichtes „November“

 

Fotos Brigitte Fuchs

 

 

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Letzte Rosen

Fotos Brigitte Fuchs

 

 

Ich bin auf stillen Wegen
Fortgegangen von dir.
An der Brust sind mir
Deine letzten Rosen gelegen.

Rosen, noch spät gerötet
Von der Herbstsonne Licht.
Rosen, die man bricht
Schnell, eh der Frost sie tötet.

Wie schnell man vom Leben,
Eh die Jugend verglimmt,
Noch eine Liebe nimmt…
… Meine letzten Rosen hast du mir gegeben.

 

A. de Nora (1864-1936), eigentlich Anton Alfred Noder, deutscher Arzt und Dichter

 

Foto Brigitte Fuchs

 

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Ach, verehrteste Mamsell

Fotos Brigitte Fuchs: Aarburg

 

 

Frühling, Sommer und dahinter
gleich der Herbst und dann der Winter –
ach, verehrteste Mamsell,
mit dem Leben geht es schnell!

 

Wilhelm Busch (1832-1908) deutscher Zeichner, Maler, Dichter und Schriftsteller

 

 

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Wenn du darnach was fragst …

Fotos Brigitte Fuchs: Aarau Philosophenweg

 

 

Wenn du darnach was fragst,

Wir waren hier.

Du, der du nach uns kommen magst,

Hab wenigstens so frisches Blut

Und sei so leidlich fromm und gut

Und leidlich glücklich als wie wir!

 

 

Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) deutscher Dichter und Universalgelehrter

 

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Der Steinmetz

Fotos Brigitte Fuchs: Bildhauerarbeiten, gesehen in Sursee

 

 

Vorüber ging die Sommernacht,
Die Hähne krähn, der Tag erwacht.
Laut schall’n der Vögel Weisen;
Da tritt aus seines Hauses Tor
Der rüstge Steinmetz rasch hervor
Mit Schürz und Winkeleisen.

Er meisselt einen Leichenstein,
Der Stahl blinkt hell im Sonnenschein,
Laut hallt es durch die Lüfte;
Des neuerwachten Lebens Kraft
Weiht er des Todes Dienst und schafft
Ein Bild zum Schmuck der Grüfte.

 

 

Albert Moeser (1835-1900) deutscher Philologe und Dichter, der in der Schweiz am Wettinger Gymnasium tätig war.

 

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Alles in Dir

Fotos Brigitte Fuchs

 

(…)

 

In Dir, o Mensch, ist Alles:
Das trinkende Ohr
Und der Antworten speiende Mund.
Der nehmende Mund
Und der scheidende Darm –
Der bohrende Keim
Und der schwellende Schoss:
Der aufsaugende Anfang,
Das ausbrechende Sein.
Ist Beides in Dir:
Der schäumende Anfang,
Das reifende Ende,
Das Ende,
Das wieder nur Anfang,
Ist Alles, o Alles in Dir!

 

 

Gerrit Engelke (1890-1918) deutscher Schriftstellerund Arbeiterdichter, im 1. Weltkrieg gefallen.
Dritte Strophe des dreistrophigen Gedichtes „Alles in Dir“

 

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Sprich nicht immer

Fotos Brigitte Fuchs

 

 

Sprich nicht immer
Von dem laub .
Windes raub .
Vom zerschellen
Reifer quitten .
Von den tritten
Der vernichter
Spät im jahr .
Von dem zittern
Der libellen
In gewittern
Und der lichter
Deren flimmer
Wandelbar .

 

 

Stefan George (1868-1933) deutscher Dichter

 

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Herbst

Fotos Brigitte Fuchs

 

1.

Nun kommen die letzten klaren Tage
Einer müderen Sonne.
Bunttaumelnde Pracht,
Blatt bei Blatt.
So heimisch raschelt
Der Fuss durchs Laub.

O du liebes, weitstilles Farbendlied!
Du zarte, umrissreine Wonne!

Komm!
Ein letztes Sonneblickchen
Wärmt unser Heim.
Da wollen wir sitzen,
Still im Stillen,
Und in die müden Abendfarben sehn.
Da wollen wir beieinander sitzen
In Herbstmonddämmer hinein
Und leise
Verlorene Worte plaudern. —

 

 

Johannes Schlaf (1892-1941) deutscher Dramatiker, Erzähler und Übersetzer
Erster von zwei Zyklen seines Gedichtes „Herbst“

 

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Erlebnis

Foto Brigitte Fuchs

 

 

In des Sommers reifer Lust
überkam dich Herbst. Du neigtest,
wissend und doch unbewusst,
Haupt und Blick. Im Schreiten zeigtest
du mit ausgestreckter Hand
auf ein Beet mit hellen Blüten;
standest plötzlich wie gebannt,
und mit Worten, die sich mühten,
sprachst du bittend: „Sing die Weise,
die du einmal mich gelehrt.“
„Welche?“ fragt‘ ich abgekehrt.
„Von der Demut“, klang es leise.

 

 

Alfred Grünewald (1884-1942) österreichischer Schriftsteller und Lyriker

 

Foto Brigitte Fuchs

 

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